Eine letzte Bratwurst auf der Cranger Kirmes…


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Frau Andrea Meier, Leiterin des Ambulanten Palliativ-Pflegedienstes Caritasverband Herne e.V., ist voller Vorfreude auf die 579. Kirmes auf Crange. Dies aber nicht nur, weil sie die zahlreichen Fahrgeschäfte und Nahrungsangebote ausgiebig nutzen will. Nein, das größte Volksfest in NRW beschert dem Ambulanten Palliativ-Pflegedienst eine Spende. Das Leo-Hilfswerk Wanne-Eickel Dickköppe, hat den Erlös aus dem Verkauf des diesjährigen Kirmeskalenders dem Ambulanten Palliativ-Pflegedienst Caritasverband Herne e.V. zugesprochen.

Frau Meier weiß genau, wo und wie sie die Spende einsetzen wird. „Die Krankenkassen übernehmen nur einen Bruchteil unserer anfallenden Kosten für die ambulante Unterstützung und Begleitung Schwerstkranker und sterbender Menschen. Vergütet werden ausschließlich die ärztlich delegierten Leistungen. Unser Leistungsspektrum in der Pflege ist aber deutlich umfangreicher. Und daher klafft eine finanzielle Lücke, zu deren Schließung wir auf Spenden angewiesen sind. „Gerade die sozialen und zwischenmenschlichen Aspekte rücken bei uns neben der medizinischen Pflege in den Vordergrund.“

„Viele Patienten“, so Frau Meier, „erhalten im Krankenhaus Prognosen von wenigen Wochen Lebenserwartung. Wenn sie dann aber Zuhause sind, berappeln sich viele. Die vertraute Umgebung, die Nachbarn, Freunde, das Lieblingsessen, das alles führt zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität.“ Und wer möchte das nicht, dort, wo man gelebt hat, auch im Kreise seiner Lieben zu sterben. Ein Patient habe sogar noch 4 Jahre gelebt, sei mit seiner Frau in den Urlaub gefahren, bevor ihm die schwere Krankheit letztlich den letzten Atemzug geraubt habe.

Doch nicht nur die Patienten werden fürsorglich und liebevoll von dem ambulanten Palliativ-Pflegedienst umsorgt. Besonders wichtig ist auch die Betreuung der Angehörigen. Dazu werden in der Palliativ-Care-Ausbildung, welche die Pflegekräfte ein Jahr berufsbegleitend absolvieren müssen, besonders psychosoziale, ethische und rechtliche Aspekte der Pflege betont. Auch die Trauerarbeit spielt eine große Rolle. „Besonders, wenn Angehörige ganz allein mit dem Sterben und dem Tod einer geliebten Person konfrontiert sind, sind wir Begleiter und Ansprechpartner in dieser schweren Situation“, so Meier. Auch wenn der Patient verstorben ist, sind die Angehörigen nicht allein. „Ich rufe 3 bis 4 Tage nach dem Tod noch einmal bei der Familie an und stehe für Gespräche zur Verfügung“. Auch persönliche Treffen werden oft dankend angenommen.

Die Arbeit beginnt schon früh. Bekommt ein Mensch die Diagnose einer unheilbaren Krankheit, mit infauster Prognose, und möchte gerne bis zum Schluss in seinem Zuhause sein, dann kommt Frau Meier oder eine ihrer vier Kolleginnen vorbei. Es wird ein Aufnahmebogen erstellt, in dem sowohl medizinische Daten als auch biografische und soziale Aspekte erfragt und dokumentiert werden. Bis zu dreimal täglich kommen die Pflegekräfte vorbei, um nach dem Rechten zu schauen, pflegerische Aufgaben zu erfüllen, oder einfach nur um mit dem Patienten und seiner Familie zu reden und zu trösten. Letzte Wünsche zu erfüllen, gehört auch dazu. Frau Meier berichtet, dass ein Patient unbedingt noch mal eine Bratwurst auf der Cranger Kirmes essen wollte. Dieser Wunsch wurde ihm erfüllt. Für einen leidenschaftlichen Angler wurden Vorbereitungen für einen Ausflug an den Rhein-Herne Kanal zum letzten Angeln getroffen, welchen er leider nicht mehr erleben konnte. „ Auch wenn es viele sehr traurige Momente in meiner Arbeit gibt, so ist sie trotzdem sehr erfüllend. Schon mit kleinen Gesten kann man viel bewirken. Und es ist unheimlich beeindruckend, wie die Menschen mit diesen Situationen umgehen.“

6 – 8 Wochen betreuen die Pflegerinnen und Pfleger im Schnitt ihre Patienten und begleiten sie auf ihrem letzten Weg. „Viele davon wachsen einem richtig ans Herz. Da kann es schon sein, dass wir auch auf die Beerdigung gehen, um die letzte Ehre zu erweisen.“, so Meier. Dass diese Arbeit nicht spurlos an einem vorbeigeht, gerade bei Schicksalen junger Patienten mit kleinen Kindern, macht Fallbesprechungen im Team unabdingbar. Dort kann man sich mit den behandelnden Palliativ-Ärzten und anderem Pflegepersonal austauschen und so ganz persönlich Trauerarbeit leisten. Die Patienten, so Meier, würden immer jünger. Im Schnitt seien sie 40 – 60 Jahre alt, die meisten sind an Krebs erkrankt, aber auch Patienten nach Schlaganfall oder mit schweren chronischen Erkrankungen werden betreut. Von Montag bis Sonntag arbeitet Frau Meier im Frühdienst, und das 14 Tage lang. Die Abenddienste teilen sich die fünf Pflegekräfte, von denen vier in Herne und eine in Wanne-Eickel arbeiten. Auch die Nachtdienste werden aufgeteilt. Die Pfleger und Pflegerinnen sind rund um die Uhr erreichbar und kommen zu ihren Patienten, sobald sie gerufen werden. „Wir sind die ersten vor Ort, sobald sich die Situation verändert. Wir entscheiden dann zusammen mit dem Patienten oder den Angehörigen, ob wir ärztliche Unterstützung oder gar einen Transport ins Krankenhaus benötigen.“ Der Palliativdienst arbeitet eng mit dem Palliativ-Netzwerk (http://www.palliativ-netzwerk.de/) zusammen, zu dem nicht nur Pflege und ärztliches Personal, sondern auch Apotheken und Sanitätsdienste gehören. „An Pfingsten hatte ich einen Notfall, wo ich schnell Kochsalzlösung als Infusion für einen Patienten brauchte. Die Apotheke des Palliativ-Netzwerkes hat mir das Medikament sofort beschaffen können.“, so Meier. Auch Wohnungsumgestaltungen und Hilfsmittel, wie Pflegebetten mit speziellen Vakuummatratzen, die gegen Druckstellen wirken oder Toilettenstühle können einfach über das Netzwerk organisiert werden. Pro Patient können sich die Pfleger bis zu 60 Minuten Zeit nehmen, deutlich mehr als im ambulanten Pflegedienst. Und trotzdem braucht auch der Palliativ-Pflegedienst fachliche und finanzielle Unterstützung, um weiterhin diese wichtige Arbeit leisten zu können.

Das Erfüllen von persönlichen Wünschen, das Ermöglichen von schönen und fröhlichen Momenten trotz des nahenden Todes, aber vor allem dass Menschen zu Hause in Würde und (weitgehend) schmerzfrei sterben können, empfinden wir Leos als gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Es geht uns alle an. Und wir freuen uns sehr, den ambulanten Palliativ-Pflegedienst Caritasverband Herne e.V. bei dieser wertvollen Arbeit unterstützen zu können. Helft uns mit!

 

Das Interview mit Frau Meier wurde geführt von Mariele Zielonka am 30.6.2014.